Schatten

"Wir haben unsern Schatten verkauft,
er hängt an einer Mauer in Hiroshima"
(Günter Eich, 1966)
 
Anstatt alles zu malen, malt er nichts – oder doch gerade noch etwas: die Form kurz vor ihrem Verschwinden, „geringste zufällige Licht-Schatten-Eindrücke“, die es ihm wert scheinen, vor ihrem endgültigen Rückzug noch einmal – schwach, wie in einem soeben sich entwickelnden fotografischen Abbild – festgehalten zu werden. Erich Lindenbergs aufgeklärte Bilder einer ausgebleichten Welt versuchen jeweils einen vage erkennbaren Gegenstand ans Licht zu zerren, der sich mit der blendenden Helligkeit des Nichts zu tarnen sucht. Doch dem Licht ausgesetzt, verblasst das Objekt umso mehr; der Akt der Aufhellung misslingt, und die Gestalt zieht sich in die Antiform zurück.
"Meine Bilder gewinnen ihre Aussage aus der Auflösung fester Bezugspunkte", notiert der Maler.
 
Kimpel Harald, Erich Lindenberg. Die Sammlung der Erich Lindenberg Kunststiftung; Fassungen des Unfassbaren, Deutungen und Bedeutungen der Schattenbilder Erich Lindenbergs, Kerber Verlag 2010, Seite 15.
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Räume

Die KLEINEN RAUMBILDER von Erich Lindenberg erscheinen, jedes für sich, ganz reduziert, sehr einfach, fast simpel. Wenn man sich fragt, was ihr Thema ist, wird die Fragestellung komplex. Geht man davon aus, dass sich die Arbeiten mit Raumvorstellungen beschäftigen, dann unterschätzt man die Farbigkeit der Arbeiten. Konzentriert man sich auf die Raum-Konstruktion, dann kommt der Raum als Inhalt zu kurz. Ganz wie von selbst gerät man in grundsätzliche künstlerische Fragestellungen. Fast lehrbuchartige Züge verbinden sich hier mit dem Gestus des Existenziellen. Es scheint, als wären diese Bilder Ausdruck eines andauernden Lernprozesses. Dabei führen die abstrakten Fragestellungen immer vom einzelnen Bild weg. Der intellektuelle Zugang erzeugt eine Spannung, die den Betrachter die Rückkehr zum Bild suchen lässt.
 
Soll man sie einzeln sehen oder zusammen? Sind sie alle zusammen ein Werk, oder sind sie eine Serie aus Einzelwerken?
 
Thorn-Prikker Jan, Erich Lindenberg. Die Sammlung der Erich Lindenberg Kunststiftung; Vor dem Gesetz, Kerber Verlag 2010, Seite 29.
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Figuren

Erich Lindenberg gehörte zu jenen Künstlern, denen das Wunder gelang, auf der Fläche – auf Leinwand und Karton – dem Menschen mit malerischen Mitteln einen Halt zu geben, ohne mit den Mitteln der Perspektive ein Gefängnis zu konstruieren. Aus Zartheit und Festigkeit hat er mit Ölfarben, Lasurmalerei und Pastellfarben Räume gewoben, in denen liegende, sitzende und stehende Figuren fest in der Welt verankert sind und zugleich neue Freiräume mit entsprechender Bewegungsfreiheit hinzugewonnen haben.
Lindenberg baut seinen Körpern eine mehr oder weniger feste Schale. Auf diese Weise entstehen Körperformen, die vom Volumen aufgefasst sind. Mehr als bloße Schatten, aber weniger als Körper aus Fleisch und Blut, leiten sie ihre Existenz von der festen Außenhaut her, die ihre Herkunft von der versinterten Umrissform der Verschütteten von Pompeji haben.
 
Bischoff Ulrich, Erich Lindenberg. Die Sammlung der Erich Lindenberg Kunststiftung; Rückblick und Figuration im Farbraum, Kerber Verlag 2010, Seite 21. 
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Stillleben

Unser Anker für Kommunikation ist der Ausdruck, das Gesicht des anderen, an dem wir ablesen, was eine Person denkt und fühlt, und ob wir uns zu- oder abwenden. Die Objekte der Bilder Lindenbergs verweigern das Dekodieren, haben kein solches Gesicht, sondern zeigen sich entblößt, ohne rasche Zuordnungshilfen. So wird es unwichtig, ob der Bildgegenstand ein Schädel oder eine Körperhülle ist, vielmehr fragt man sich, warum ein Menschen- mit einem Tierschädel in Dialog tritt, oder ob die asymmetrische Zahl mancher Bildobjekte vom Verschwinden des anthropozentrischen Weltbilds handelt, oder wie eine Fläche zum pulsierenden, atmenden Bildraum werden kann. Gemalte Schädel und ihr Urmedium, das Knöcherne, vereinen sich mit der Bildfläche wie mit einer Haut und werden so Bildkörper, ergeben Form und Raum.

Hartl Lydia Andrea, Erich Lindenberg. Die Sammlung der Erich Lindenberg Kunststiftung; TRANS – Sichtbares jenseits des Sichtbaren, Kerber Verlag 2010, Seite 35. 
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